Die Pandemie hat gezeigt, dass selbst Kulturinstitutionen nicht vor der Digitalisierung sicher sind. Virtuelle Rundgänge, interaktive 3D-Modelle und digitale Reproduktionen haben während der Lockdowns eine Renaissance erlebt. Laut einer Umfrage der UNESCO aus dem Jahr 2021 gaben 90 % der Museen weltweit an, digitale Angebote ausgebaut zu haben – ein Trend, der auch nach der Pandemie nicht abreißt.
„Museen müssen sich anpassen, sonst verlieren sie den Anschluss an eine digitale Gesellschaft“, beschreibt Hartwig Fischer, Direktor des British Museum, sinngemäß in einem Interview. Er verwies darauf, dass digitale Technologien eine ganz neue Art von Interaktion ermöglichen – von immersiven VR-Erfahrungen bis hin zu global zugänglichen Sammlungen.
Das Louvre in Paris bietet mittlerweile hochauflösende Scans seiner berühmtesten Werke an, während das Smithsonian in Washington D.C. eine ganze Bibliothek digitalisiert hat, die als interaktiver VR-Raum zugänglich ist.
Virtuelle Realität: Die neue Kunstreise
Virtuelle Realität (VR) und Augmented Reality (AR) sind längst nicht mehr Science-Fiction. Unternehmen wie Google Arts & Culture haben Plattformen entwickelt, auf denen man durch berühmte Museen wie das Van Gogh Museum oder die Uffizien wandern kann – und das vom eigenen Wohnzimmer aus.
„VR gibt uns die Möglichkeit, Kunst auf eine Weise zu erleben, die im echten Leben unmöglich ist“, beschreibt Erin L. Thompson, Kunsthistorikerin an der City University of New York, sinngemäß in einem Interview. Sie verweist darauf, dass man durch VR nicht nur Gemälde betrachten kann, sondern sich mitten in der Schöpfung eines Kunstwerks „bewegen“ kann.
Ein Beispiel: Im Salvador Dalí Museum in Florida können Besucher mit einer VR-Brille in die surrealen Landschaften des Künstlers eintauchen – eine immersive Erfahrung, die selbst eingefleischte Dalí-Fans überrascht.
Kunst ohne Grenzen – oder ohne Seele?
Die Vorteile sind klar: Virtuelle Ausstellungen sind kostengünstig, barrierefrei und bringen Kunst in die entlegensten Winkel der Welt. Doch nicht alle sehen den Trend positiv. Kritiker warnen davor, dass das digitale Erlebnis nie das echte ersetzen kann.
„Kunst muss physisch erlebt werden. Es geht um die Atmosphäre, die Emotionen, die Unmittelbarkeit“, beschreibt der renommierte Kunstkritiker Jerry Saltz sinngemäß in einem Beitrag für das Magazin Vulture. Eine digitale Kopie, so präzise sie auch sein mag, könne die Aura eines Originals niemals ersetzen.
Die Gefahr besteht zudem darin, dass Museen durch digitale Angebote ihre ursprüngliche Funktion als physische Hüter der Kultur verlieren. Wenn Kunstwerke nur noch Pixel sind, verliert man leicht den Bezug zur Geschichte, zur Realität.
Ein Hybrid-Modell der Zukunft?
Die Zukunft der Museen liegt wahrscheinlich irgendwo zwischen den Extremen. Hybride Modelle, die analoge und digitale Erlebnisse kombinieren, könnten den besten Weg bieten. Besucher:innen können ein Werk online entdecken und dann vor Ort die echte Begegnung erleben – eine Symbiose aus Reichweite und Authentizität.
Ein Beispiel ist das „Städel Museum“ in Frankfurt, das eine Kombination aus Online-Kursen, VR-Erlebnissen und traditioneller Ausstellungskultur bietet. „Die Digitalisierung wird das Museum niemals ersetzen, aber sie wird es ergänzen“, sagte Philipp Demandt, Direktor des Städel Museums, in einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur.
Die Zukunft ist offen
Virtuelle Ausstellungen bieten eine Chance, Kunst neu zu entdecken und zugänglicher zu machen. Doch sie sollten kein Ersatz sein, sondern eine Ergänzung. Die Seele der Kunst liegt noch immer in ihrer physischen Existenz – in dem Gefühl, vor einem Original zu stehen und die Pinselstriche des Künstlers zu sehen.
Die Frage ist nicht, ob Museen digital werden, sondern wie sie es schaffen, ihre analogen Wurzeln zu bewahren, während sie in die virtuelle Zukunft schreiten.
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