TikTok-Salafismus: Wenn Extremismus als Lifestyle-Content daherkommt

TikTok-Salafismus: Wenn Extremismus als Lifestyle-Content daherkommt

Ein harmlos wirkender Ratschlag, verpackt in sanfte Worte und unterlegt mit epischer Hintergrundmusik – doch dahinter steckt eine Ideologie, die alles andere als harmlos ist.

Extremismus in Hochglanz-Ästhetik

Wer glaubt, Radikalisierung sei laut, schockierend und offensichtlich, hat die neue Generation der Extremisten noch nicht gesehen. Sie sind jung, social-media-affin und wissen genau, wie sie ihre Botschaften in 30 Sekunden verpacken müssen, damit sie durch TikToks Algorithmus gleiten wie ein virales Tanzvideo. Diese Inhalte sind modern produziert, mit starker Bildsprache, inspirierenden Zitaten und einem Hauch von Spiritualität.

Salafistische Influencer präsentieren sich dabei nicht als Prediger mit erhobenem Zeigefinger, sondern als Lifestyle-Coaches. Sie beantworten Fragen zu Religion, vermitteln einfache Regeln für ein „reines“ Leben und suggerieren eine Gemeinschaft, in der sich verlorene Jugendliche aufgehoben fühlen. Wer in diesen Algorithmus hineingerät, sieht bald keine anderen Inhalte mehr. Die Botschaften werden radikaler: Erst sind es Tipps zur täglichen Gebetspraxis, dann kommen Clips, die Frauenrechte infrage stellen oder „den Westen“ als verdorben darstellen.

TikTok als Nachrichtenquelle für die Generation Z

Dass Plattformen wie TikTok dabei eine immer größere Rolle spielen, zeigt eine Untersuchung des Pew Research Centers. Laut der Analyse aus dem Jahr 2023 gaben 14 % der Erwachsenen in den USA an, regelmäßig Nachrichten über TikTok zu beziehen – bei den 18- bis 29-Jährigen waren es bereits 32 %. Damit hat sich der Anteil der jungen Erwachsenen, die TikTok als Hauptquelle für Informationen nutzen, in nur drei Jahren verdreifacht. Besonders alarmierend ist, dass viele Nutzerinnen und Nutzer Nachrichten in sozialen Netzwerken weniger kritisch hinterfragen als in klassischen Medien. (Quelle: Business Insider)

Für Extremisten ist das ein Paradies. Sie wissen, dass auf TikTok nicht argumentiert, sondern gefühlt wird. Hier zählen Emotionen, schnelle Botschaften, einprägsame Ästhetik. Wer einmal ein Video geliked hat, wird mit weiteren, radikaleren Inhalten gefüttert. Experten warnen, dass sich junge Menschen oft in einer Art „Filterblase“ wiederfinden, aus der sie kaum noch herauskommen.

Was kann dagegen getan werden?

Die Plattformen selbst stehen in der Verantwortung, doch hinkt TikTok bei der Moderation extremistischer Inhalte hinterher, wie verschiedene Quellen berichten. Algorithmen sind keine Moralinstanzen – sie pushen, was Engagement bringt. Und extremistischer Content bringt Engagement. Experten fordern daher eine konsequentere Löschung von gefährlichen Inhalten sowie eine engere Zusammenarbeit zwischen Social-Media-Plattformen und Sicherheitsbehörden.

Doch auch Eltern, Lehrkräfte und die Gesellschaft insgesamt sind gefragt. Junge Menschen müssen lernen, zu hinterfragen, was ihnen als „Wahrheit“ verkauft wird. Medienkompetenz sollte ein Pflichtfach sein, denn nur wer den Mechanismus hinter der digitalen Radikalisierung versteht, kann sich dagegen wehren.

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