Syrische Migranten fordern legalen Heimaturlaub

Syrische Migranten fordern legalen Heimaturlaub

Syrische Flüchtlinge in Europa appellieren nun an die Regierungen, ihnen die  Heimreise zu ermöglichen, ohne ihren Schutzstatus zu gefährden. Was etwas grotesk anmutet: Asylberechtigte wollen in jenem Land urlauben, in dem sie angeblich verfolgt worden sind.

Mehr als einen Monat nach dem überraschenden Fall des Assad-Regimes, das 54 Jahre lang an der Macht war, bleibt der Aufenthaltsstatus vieler Syrer in Europa ungewiss. Mehrere europäische Länder, darunter Österreich, haben die Bearbeitung von Asylanträgen syrischer Geflüchteter ausgesetzt. Österreich ging sogar so weit, ein Programm zur Rückführung und Abschiebung vorzubereiten.

Diese schnellen Entscheidungen haben bei vielen Syrern in Europa Besorgnis ausgelöst, berichtet jetzt der britische Guardian. Besonders betroffen sind jene, die noch keine EU-Staatsbürgerschaft erhalten haben. „Die Menschen haben Angst, nach Syrien zu reisen und ihren Schutzstatus als Flüchtlinge oder Asylbewerber zu verlieren“, erklärt Anwar al-Bunni, Leiter des Syrischen Zentrums für Rechtsstudien und Forschung in Berlin.

Al-Bunni und neun weitere Vertreter der syrischen Gemeinschaft in Deutschland forderten die Regierung auf, eine Ausnahmeregelung einzuführen. Diese soll es syrischen Geflüchteten, die noch keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, ermöglichen, kurzzeitig in ihre Heimat zu reisen, ohne ihren rechtlichen Schutzstatus zu verlieren – ähnlich wie es kürzlich für Geflüchtete aus der Ukraine geregelt wurde.

„Viele möchten einfach nach Syrien reisen, um nachzusehen, ob ihr Zuhause noch steht oder ihr Geschäft noch existiert“, sagt al-Bunni. Einige könnten entscheiden, dauerhaft zurückzukehren, andere würden sich für ein Leben in Deutschland entscheiden, aber Syrien möglicherweise finanziell oder durch Projekte unterstützen. Wieder andere möchten nur ihre Familie besuchen und weiterhin in Europa bleiben.

Humanitäre Lage in Syrien noch immer katastrophal

Catherine Woollard, Direktorin des Europäischen Rates für Flüchtlinge und Exilanten (ECRE), betont, dass ähnliche Forderungen in ganz Europa laut werden. Während EU-Bürger frei reisen können, riskieren Geflüchtete mit Schutzstatus den Verlust desselben, wenn sie in ihr Herkunftsland zurückkehren. „Wir warnen eindringlich vor vorschnellen Entscheidungen, den Schutzstatus zu widerrufen oder Menschen zwangsweise zurückzuführen, solange unklar ist, ob Syrien tatsächlich sicher ist“, sagt Woollard.

Die humanitäre Lage in Syrien bleibt katastrophal: Laut UN leben 90 % der Bevölkerung in Armut, und nach 14 Jahren Bürgerkrieg liegt ein Großteil des Landes in Trümmern. Woollard unterstützt die Idee temporärer Rückreisen, wie sie bereits von der Türkei umgesetzt wird, wo syrische Geflüchtete dreimal ohne Verlust ihres Status nach Syrien reisen dürfen. Solche Besuche könnten langfristig sogar die Rückkehrbereitschaft fördern, da sie den Menschen ermöglichen, Kontakte zu Verwandten, Eigentum oder potenziellen Arbeitgebern wiederherzustellen.

Die Diskussion um Rückkehr und Schutzstatus hat in Deutschland auch eine wirtschaftliche Dimension. Syrische Asylberechtigte würden eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung des Arbeitskräftemangels spielen. Laut einer Studie des Deutschen Wirtschaftsinstituts arbeiten etwa 80.000 Syrer in Berufen, in denen es an Fachkräften mangelt, darunter über 4000 Mechatroniker in der Automobilindustrie, 2470 Zahnärzte und Zahntechniker, 2260 Erzieher und 2160 Pflegekräfte. Mehr als 5000 syrische Ärzte sind voll beschäftigt, und ihre Rückkehr nach Syrien könnte zu Engpässen in der medizinischen Versorgung führen. Allerdings könnte  das deutsche Gesundheitssystem auch auf 5000 syrische Ärzte verzichten, wenn die in Deutschland lebenden 974.000 Syrer in ihre Heimat zurückkehren.

Politische Kontroversen

Die Debatte über die Zukunft der syrischen Geflüchteten fällt in eine Zeit erhöhter politischer Spannung. Vor den Bundestagswahlen am 23. Februar wird Migration zu einem zentralen Thema. Während Innenministerin Nancy Faeser von einer möglichen Regelung sprach, die Syrern eine einmalige Heimreise ohne Verlust ihres Schutzstatus erlauben könnte, lehnen konservative und rechte Parteien dies ab. Thorsten Frei von der CDU warnte vor einer „Zickzack-Politik“ und Jens Spahn schlug vor, Rückflüge nach Syrien zu organisieren und Rückkehrern 1000 Euro anzubieten.

Teilen:
Show Comments (0) Hide Comments (0)
0 0 Abgegebene Stimmen
Article Rating
Subscribe
Notify of
guest
0 Comments
Oldest
Newest Most Voted
Inline-Rückmeldungen
Alle Kommentare anzeigen
0
Ich würde mich über Ihre Meinung freuen, bitte kommentieren Sie.x
()
x