Es ist nicht nur die Angst vor Spionage und digitaler Überwachung, sondern auch ein politisches Signal, dass die Mitglieder des Europäischen Parlaments bei ihrer aktuellen Reise nach Ungarn mit speziellen abschirmenden Handyhüllen ausgestattet worden sind. Die sogenannten Faraday-Bags, die elektromagnetische Signale blockieren, sollen Mobiltelefone und andere digitale Geräte vor Zugriffen und Manipulation schützen – ein deutliches Zeichen für das wachsende Misstrauen innerhalb der EU gegenüber möglichen Übergriffen auf sensible Daten.
Fünf Mitglieder des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) sind am Montag zu einem dreitägigen Besuch nach Ungarn aufgebrochen. Ziel der Reise ist es, die Entwicklung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten im Land zu überprüfen.
Ungarn mehrfach wegen Spionagevorwürfen kritisiert
Ungarn stand in den letzten Jahren wiederholt in der Kritik, unter anderem wegen des Einsatzes von Spionagesoftware gegen Oppositionelle, Journalisten und zivilgesellschaftliche Akteure. Die Enthüllungen führten 2023 zu einer Untersuchung durch das Sonderkomitee des EU-Parlaments zu Pegasus und anderer Spionagesoftware (PEGA).
Zusätzlich berichteten belgische und ungarische Medien Ende 2023, dass der ungarische Geheimdienst in den Jahren 2015 bis 2017 angeblich EU-Beamte ausspioniert haben soll – unter anderem durch das Durchsuchen von Hotelzimmern und das Abhören von Telefongesprächen. Die ungarische Regierung wies diese Berichte zurück.
Sicherheitsvorkehrungen bei Delegationsreise
Eine an der Reise beteiligte Europaabgeordnete bestätigte gegenüber dem Politk-Magazin Politico, dass die Mitglieder der Delegation vom Parlamentsdienst mit Faraday-Taschen ausgestattet und angewiesen wurden, öffentliche WLAN-Netzwerke und Ladestationen zu meiden. Zwei mit den Sicherheitsprotokollen vertraute EU-Beamte erklärten, dass diese Maßnahmen bei Delegationsreisen nicht üblich seien – dies unterstreiche die besondere Sensibilität des aktuellen Besuchs.
Geführt wird die Delegation von der niederländischen Grünen-Abgeordneten Tineke Strik. Weitere Mitglieder sind Sophie Wilmès (liberale Abgeordnete aus Belgien), Pernando Barrena Arza (linke Fraktion, Spanien), Krzysztof Śmiszek (polnischer Sozialdemokrat) und Michał Wawrykiewicz (polnische Mitte-rechts-Fraktion).
Parallelen zu anderen Sicherheitsmaßnahmen der EU
Die Vorsichtsmaßnahmen in Ungarn kommen kurz nach einem Bericht der Financial Times, wonach einige EU-Kommissionsmitglieder bei Reisen in die USA mit Einweg-Handys („Burner Phones“) und einfachen Laptops ausgestattet wurden – ebenfalls zum Schutz vor Spionage. Die Kommission wies jedoch zurück, dass es eine generelle Empfehlung für solche Geräte bei USA-Reisen gebe. Sie betonte, dass solche Maßnahmen nur bei besonders vertraulichen Missionen zum Einsatz kämen.
Solche Sicherheitsprotokolle seien eher für Reisen in Länder wie China üblich, die als besonders risikoanfällig für staatlich gesteuerte Überwachung gelten.
EU-Spitze und Ungarn auf Konfrontationskurs
Die Beziehung zwischen Brüssel und Budapest ist seit Jahren angespannt. Die EU wirft der ungarischen Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán vor, rechtsstaatliche Prinzipien zu untergraben, insbesondere im Hinblick auf Justiz, Medienfreiheit und Korruptionsbekämpfung. Seit 2018 läuft gegen Ungarn ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags, das theoretisch zum Entzug von Stimmrechten führen kann.
Vor diesem Hintergrund ist der Besuch der Abgeordneten nicht nur ein Beobachtungsauftrag, sondern auch ein politisches Signal: Die EU will zeigen, dass sie Verstöße gegen demokratische Grundwerte nicht unbeachtet lässt – auch wenn sie dabei auf verstärkte Sicherheitsmaßnahmen zurückgreifen muss.
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