Zucker macht Kinder hyperaktiv – ein wissenschaftlicher Irrtum?

Zucker macht Kinder hyperaktiv – ein wissenschaftlicher Irrtum?

Doch hier kommt die unbequeme Wahrheit: Es gibt keine einzige seriöse wissenschaftliche Studie, die einen direkten Zusammenhang zwischen Zuckerkonsum und Hyperaktivität bei Kindern nachweist.

Also was ist das hier – eine Verschwörung der Süßwarenindustrie? Ein kollektiver Irrglaube? Oder einfach nur ein Fall von schlechtem Timing?

Die Zucker-Hyperaktivitäts-Legende: Wie alles begann

Die Geschichte dieses Mythos geht zurück auf das Jahr 1973, als der amerikanische Allergologe Dr. Benjamin Feingold 1973 die Hypothese aufstellte, dass künstliche Farbstoffe und bestimmte Lebensmittelzusatzstoffe Verhaltensstörungen bei Kindern begünstigen könnten. Zucker war in seiner ursprünglichen Theorie jedoch nicht enthalten. Dennoch wurde er im Zuge der aufkommenden Debatte fälschlicherweise mitverantwortlich gemacht.

Dann kamen die 90er-Jahre, und eine Studie der University of Connecticut schlug dem Mythos endgültig ins Gesicht. Sie zeigte, dass Kinder, die Zucker konsumierten, nicht hyperaktiver waren als jene, die keinen Zucker bekamen – selbst dann nicht, wenn die Eltern glaubten, dass sie es wären.

Das war der Wendepunkt: Nicht der Zucker ließ die Kinder ausrasten – sondern die Erwartung der Eltern.

Der Placebo-Effekt für Eltern: Zucker macht hyperaktiv, weil wir es glauben

Die entscheidende Studie, die diesen Wahnsinn endgültig entlarvte, wurde 1994 im Hoover & Milich, Journal of Abnormal Child Psychology veröffentlicht. Forscher gaben Eltern von hyperaktiven Jungen eine zuckerfreie Limonade, sagten ihnen aber, sie sei vollgestopft mit Zucker.

Was geschah? Die Eltern beobachteten prompt überdrehtes Verhalten, Unruhe, mangelnde Konzentration – genau das, was sie erwartet hatten. Der Clou? Die Kinder hatten gar keinen Zucker bekommen.

Es war ein lupenreiner Nocebo-Effekt – das Gegenteil des Placebo-Effekts. Die Eltern interpretierten normales Verhalten als Hyperaktivität, weil sie es erwarteten.

Aber warum drehen Kinder nach Süßigkeiten-Partys durch?

Hier kommt die eigentliche Wahrheit:

  • Feiern sind aufregend. Kinder sind energiegeladen, weil sie in einer stimulierenden Umgebung sind – nicht wegen der Schokolade.

     

  • Schlafmangel und Reizüberflutung spielen eine Rolle. Nach einem Kindergeburtstag ist jedes Kind überdreht – Zucker oder nicht.

     

  • Eltern achten verstärkt auf Verhalten, wenn sie Zucker im Spiel vermuten. Studien zeigen, dass Eltern nach Zuckerkonsum eher auffälliges Verhalten wahrnehmen und verstärken.

Gibt es überhaupt eine Wirkung von Zucker?

Ja – aber nicht so, wie viele denken.

  • Zucker gibt kurzfristig Energie, aber keinen Hyperaktivitäts-Boost.
  • Ein Zucker-Crash kann zu Müdigkeit führen – nicht zu Hyperaktivität.
  • Bestimmte Farbstoffe oder Zusatzstoffe könnten in wenigen Fällen Unruhe fördern. Aber reiner Zucker? Keine Chance.

Zucker macht nicht hyperaktiv – aber Mythen sind schwer totzukriegen

Der Mythos, dass Zucker Kinder aufdreht, ist nichts weiter als eine hartnäckige Eltern-Legende, gestützt von Anekdoten und selektiver Wahrnehmung. Die Wissenschaft ist sich einig: Kinder drehen nicht wegen Zucker durch – sondern weil sie einfach Kinder sind.

Doch wahrscheinlich wird trotzdem noch in 50 Jahren eine erschöpfte Mutter auf einem Kindergeburtstag flüstern: „Oh Gott, die hatten zu viel Zucker…“ Und wer will es ihr verdenken?

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