In einer Welt, in der nichts mehr heilig ist, nicht einmal der Tod, haben Unternehmen wie HereAfter AI und Replika ein neues Geschäftsfeld entdeckt: die digitale Wiederauferstehung. Mit genug Fotos, Sprachnachrichten und Textnachrichten können sie eine Simulation deiner Liebsten erstellen, die mit dir spricht, lacht und sich an dieselben Dinge erinnert wie die Person, die du verloren hast. Es ist ein Echo, ein Geist in der Maschine – und für manche ein Ersatz für echten Abschied.
Der Tod wird zur Dienstleistung
Man könnte meinen, dass es beim Tod noch ein paar unverrückbare Wahrheiten gibt: Das Ende ist das Ende. Keine Rückkehr, kein „Wiedersehen“. Doch nicht in der Welt der Tech-Milliardäre, die überzeugt sind, dass jedes Problem, auch der Tod, nur ein Codeproblem ist.
„Es war, als hätte ich wieder mit meinem Vater gesprochen,“ sagte ein Nutzer von HereAfter AI in einem Interview mit der New York Times. Und genau das ist der Haken: Die Illusion ist so perfekt, dass sie dich in ihrer Umarmung gefangen hält. Du redest mit einer Maschine, aber sie fühlt sich an wie eine Seele.
Der Philosoph Jaron Lanier bringt es auf den Punkt: „Es ist kein echtes Leben. Es ist ein manipuliertes Echo.“ Und das ist noch die harmlose Version.
Was hier wirklich passiert
Die Idee, Verstorbene wieder zum Leben zu erwecken, ist so alt wie der Tod selbst. Memento mori – erinnere dich, dass du sterblich bist – war einmal die Grundlage menschlicher Kultur. Jetzt lautet das Motto eher: „Erinnere dich, dass du eine Cloud brauchst.“
Die Technologie funktioniert so: Die KI nimmt alle Daten, die über die verstorbene Person verfügbar sind – Texte, Sprachnachrichten, Social-Media-Posts – und baut daraus ein Profil. Diese Daten werden dann verwendet, um eine Simulation zu erstellen, die mit dir interagieren kann. Klingt faszinierend, oder? Aber was passiert, wenn die Datenbank Fehler macht? Was, wenn der digitale Vater Dinge sagt, die er im echten Leben nie gesagt hätte?
Und wem gehört dieser Avatar eigentlich? Dir? Oder dem Unternehmen, das ihn gebaut hat?
Carissa Véliz, Autorin des Buchs Privacy Is Power, warnt: „Wir müssen uns fragen, wer die Kontrolle über diese digitalen Wesen hat. Was passiert, wenn ein Unternehmen wie HereAfter AI von einem Tech-Riesen aufgekauft wird? Werden diese Avatare dann zu Produkten?“
Trost oder Täuschung?
Die Befürworter sagen, dass diese Technologie ein Werkzeug der Trauerbewältigung ist. Aber ist es das wirklich? Oder ist es ein clever getarnter Weg, Menschen in ihrer Trauer zu halten, anstatt sie loslassen zu lassen?
Dr. Kate Darling vom MIT sieht das kritisch: „Es gibt eine feine Linie zwischen Trost und Ausbeutung. Diese Technologien könnten verhindern, dass Menschen den notwendigen Prozess des Abschieds durchlaufen.“
Und dann ist da noch die Frage der Authentizität. Ein Avatar, egal wie fortschrittlich, kann niemals wirklich die Person sein, die wir verloren haben. Es ist ein Algorithmus, der aus Nullen und Einsen zusammengesetzt ist, kein Herz, keine Seele, kein Leben.
Ein Spiegel unserer Angst
Die Faszination für digitale Unsterblichkeit ist nichts anderes als eine Projektion unserer kollektiven Angst vor dem Tod. Die Idee, dass wir niemals wirklich loslassen müssen, dass der Tod keine endgültige Grenze mehr ist, klingt verführerisch. Aber es ist eine Illusion, eine Täuschung, die uns vielleicht mehr kostet, als wir gewinnen können.
Die Wahrheit ist, dass der Tod immer das war, was uns zum Leben treibt. Wenn wir anfangen, ihn zu verharmlosen, ihn zu einem Tech-Produkt zu degradieren, verlieren wir etwas Essentielles. Und vielleicht ist das die größte Tragödie von allen.
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