Britische Regierungsvertreter trafen sich in der Vorwoche bei einem diskreten Abendessen in Brüssel mit ausgewählten europäischen Verbündeten, um Pläne für einen neuen Verteidigungsfonds zu schmieden. Ziel ist es, die Europäische Kommission zu umgehen, die öffentliche Verschuldung niedrig zu halten und die geplante Mega-Wiederaufrüstung zu beschleunigen.
Erstes Treffen in Brüssel
Das inoffizielle Treffen vereinte ranghohe Vertreter der Finanzministerien aus Schweden, Dänemark, Finnland, Polen, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich. Diskutiert wurde die Gründung einer supranationalen Bank, die Waffen gemeinsam beschaffen und die Kosten für Rüstung deutlich senken soll, so Insider.
Gastgeber des geheimen Treffens war Polen, wie ein EU-Beamter erklärte, der anonym bleiben durfte, um offen über die vertraulichen Gespräche sprechen zu können. Im Zentrum stand ein Vorschlag des britischen Finanzministeriums (Treasury), laut einem Diskussionspapier, das Politico vorliegt. Dieser würde es den teilnehmenden Staaten ermöglichen, die Anschaffungskosten von Rüstungsgütern nicht im nationalen Haushalt zu verbuchen – ein großer Vorteil für Länder mit strengen Haushaltsregeln.
Vor dem Hintergrund, dass sich US-Präsident Donald Trump zunehmend von der Verteidigung Europas distanziert und die Beziehungen zu Russland wärmt, versuchen bekanntlich europäische Regierungen jetzt verstärkt, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen – in vielen Fällen sogar über das NATO-Ziel von 2 % des BIP hinaus. Dabei stehen sie jedoch vor dem Dilemma eigener Schuldenbremsen.
„Die Briten stecken in einem fiskalischen Zwangskorsett, deshalb ist ihr Interesse an diesem Modell groß“, sagte ein mit dem Abendessen vertrauter Regierungsbeamter.
Umgehung der Europäischen Kommission
Das geplante Modell würde dem Fonds erlauben, Waffen direkt im Namen der Mitgliedsstaaten zu kaufen – eine Befugnis, die der Europäischen Investitionsbank derzeit fehlt. Dafür würde man gezielt Investoren ansprechen, die offen für die Finanzierung des Verteidigungssektors sind. „Wir würden nicht unter der Kontrolle der Kommission stehen – genau das macht es attraktiv“, sagte ein EU-Diplomat.
Durch die Spezialisierung auf Verteidigung könnten sich laut dem Papier auch die Kreditkonditionen verbessern. Der Fonds würde gezielt Investoren ansprechen, die bereit sind, in Verteidigung zu investieren – anstatt zu versuchen, ESG-bewusste (umwelt-, sozial- und governance-orientierte) Investoren vom Verteidigungssektor zu überzeugen.
Südeuropäische Länder weiter skeptisch
Einige europäische Länder, insbesondere Frankreich, Italien und Spanien, bevorzugen weiterhin Zuschüsse, die durch gemeinsame EU-Schulden finanziert werden – exxtra24 hat berichtet. Sie sind skeptisch gegenüber zusätzlicher nationaler Verschuldung für Verteidigungsausgaben, da sie negative Auswirkungen auf ihre Kreditwürdigkeit und Investorenvertrauen befürchten. „Ich sehe nicht, dass die Südländer an diesem Mechanismus interessiert sind – sie wollen Zuschüsse“, sagte ein EU-Beamter. „Ich bin mir nicht sicher, ob wir hier auf einer Linie sind.“
Nordeuropäische Länder wiederum sind nicht bereit, gemeinschaftliche Schuldenmodelle zu unterstützen. Baltische Staaten und Nicht-EU-Länder wie Norwegen könnten Interesse an der britischen Lösung haben. Manche Beamte befürchten jedoch, dass ein Vorgehen ohne Südeuropa die Verteidigungsschere innerhalb Europas weiter vergrößern könnte – insbesondere, da viele dieser Länder bereits unterdurchschnittlich in Verteidigung investieren.
Die britische Initiative steht in direkter Konkurrenz zum Plan der EU-Kommission, ein 150-Milliarden-Euro-Kreditprogramm für gemeinsame Rüstungsbeschaffung aufzulegen – ein Plan, der Großbritannien derzeit ausschließt, da es seit dem Brexit kein Sicherheitsabkommen mit der EU abgeschlossen hat.
Im Gegensatz dazu bietet Londons Modell den Staaten fiskalische Vorteile, indem die Anschaffungskosten für Rüstungsgüter nicht mehr in den nationalen Haushalten auftauchen, sondern auf der Bilanz der neuen Institution landen. Die Staaten müssten dann nur für Zinsen und Wartung aufkommen.
Diese Struktur richtet sich laut Insidern besonders an Staaten unter geopolitischem Druck – etwa jene in der Nähe Russlands – angesichts der wachsenden Angst vor erneuter Aggression aus Moskau und dem möglichen Rückzug der USA aus der europäischen Verteidigung.
Pläne für eigene „Wiederaufrüstungs-Bank“
Unklar ist weiterhin, wie diese neue Institution regiert werden und wer letztlich die Entscheidungen treffen würde – eine zentrale Frage, da das Modell außerhalb der Zuständigkeit der EU-Kommission arbeiten soll.
Großbritannien ist allerdings nicht allein mit dem Wunsch nach Alternativen. Polen, derzeitiger EU-Ratsvorsitzender, hat das Thinktank Bruegel damit beauftragt, ein eigenes Modell für eine „Wiederaufrüstungsbank“ zu entwerfen. Dieses soll am Samstag beim informellen Treffen der EU-Finanzminister in Warschau diskutiert werden.
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