Warum teilen Eltern Bilder ihrer Kinder? Die Gründe sind meist unschuldig. Eltern wollen besondere Momente festhalten und mit Familie, Freunden oder der Welt teilen. Studien zeigen, dass rund 89 % der Eltern von Kindern unter fünf Jahren mindestens ein Bild ihrer Kinder in sozialen Netzwerken geteilt haben (Pew Research Center, 2020). Das Phänomen hat sogar einen Namen: „Sharenting“ – eine Mischung aus „Sharing“ und „Parenting“.
Doch das Problem beginnt genau hier. Was viele nicht bedenken: Einmal online, sind diese Bilder nicht mehr unter ihrer Kontrolle. Selbst in vermeintlich geschützten Netzwerken können Bilder heruntergeladen, gespeichert oder geteilt werden. Laut einer Studie der britischen Organisation Internet Matters wissen 42 % der Eltern nicht, wie sie die Privatsphäre-Einstellungen ihrer Social-Media-Konten effektiv nutzen können.
Die unsichtbare Gefahr: Identitätszwillinge
Ein „Identitätszwilling“ ist kein Begriff aus einem Sci-Fi-Film, sondern ein reales Problem der digitalen Welt. Dabei nutzen Kriminelle öffentlich zugängliche Bilder, um eine gefälschte Identität zu erstellen – oft mit erschreckender Präzision. Ein niedliches Foto deines Kindes, gepaart mit einem Namen oder Wohnort, wird zur Grundlage für gefälschte Profile, die für Betrug oder Schlimmeres genutzt werden können.
„Kinderbilder werden von Cyberkriminellen oft dazu verwendet, um überzeugende Identitäten zu basteln“, beschreibt Dr. David Wright, Experte für Cybersicherheit, sinngemäß in einem Interview mit BBC Tech. „Mit Gesichtserkennungstechnologien und gestohlenen Daten aus anderen Quellen wird das digitale Profil eines Kindes vervollständigt.“
Diese „Zwillinge“ können nicht nur für Identitätsdiebstahl genutzt werden, sondern auch für Aktivitäten, die in den tiefsten Abgründen des Internets stattfinden. Experten warnen zudem, dass solche Bilder in den Händen von Pädophilen landen können. Laut Interpol kursieren täglich Millionen Kinderbilder in einschlägigen Netzwerken, oft aus harmlosen Posts entwendet.
Was macht die Sache so gefährlich?
Der Fortschritt in der Technologie macht das Problem noch gravierender. Gesichtserkennungssoftware, die ursprünglich für Sicherheitszwecke entwickelt wurde, ermöglicht es Kriminellen, Gesichter in sozialen Netzwerken aufzuspüren und diese mit anderen Informationen wie Wohnorten oder Schulnamen zu verknüpfen.
„Je mehr Details auf einem Bild enthalten sind – ein Namensschild, die Adresse im Hintergrund oder das Gesicht selbst –, desto größer ist das Risiko“, beschreibt Prof. Julia Powles, Datenschutzexpertin an der University of Western Australia.
Weniger ist mehr
Das Teilen von Kinderfotos mag harmlos wirken, doch die Realität sieht oft anders aus. Jedes Bild, das ins Netz gestellt wird, trägt das Potenzial für Missbrauch in sich. Eltern müssen sich bewusst machen, dass sie mit jedem Klick mehr preisgeben, als sie denken – nicht nur an Freunde und Familie, sondern auch an eine digitale Welt, die sich nicht mehr zurückholen lässt.
Es geht nicht darum, Panik zu schüren, sondern Verantwortung zu übernehmen. Denn in einer Zeit, in der die Technologie immer weiter voranschreitet, ist Vorsicht der beste Schutz – für uns und vor allem für die, die noch zu jung sind, um sich selbst zu wehren.
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