Eine ehemalige Mitarbeiterin des Gerichts beschuldigt den 55-jährigen Briten des sexuellen Missbrauchs, bis hin zur Vergewaltigung – unter anderem auf Dienstreisen, aber auch in seiner Wohnung in Den Haag. Der brisante Fall wurde nun vom Wall Street Journal mit zahlreichen Details öffentlich gemacht – kurz nachdem Khan einen Haftbefehl gegen Israels Premier Benjamin Netanjahu beantragt hatte.
Das mutmaßliche Opfer der Sex-Attacken, eine Mitarbeiterin aus Malaysia, beschuldigt Khan, sie auf insgesamt fünf Auslandsreisen sexuell bedrängt und mehrfach zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben – darunter auf Dienstreisen nach Venezuela, Kolumbien und London. Der erste Übergriff soll sich laut ihrer Aussage im März 2023 ereignet haben, kurz nachdem sie in Khans unmittelbares Team versetzt worden war.
Belastungszeugin: „Er nahm nie ein Kondom“
Khan habe sie in einem Hotelzimmer in der Nacht zum Geschlechtsverkehr genötigt – ohne Verhütung und trotz ihrer Ablehnung. Auch in seiner privaten Wohnung in Den Haag soll es zu weiteren Übergriffen gekommen sein. Die Frau, verheiratet und Mutter eines Kindes, schilderte die Ereignisse gegenüber UN-Ermittlern, die mittlerweile in den Fall eingebunden sind. Zitat: „Er hat mich zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Er hat dabei nie ein Kondom benutzt.“
Politisches Minenfeld – Netanjahu-Verfahren im Fokus
Die Enthüllung kommt zu einem besodners brisanten Zeitpunkt: Nur wenige Tage vor Bekanntwerden der Vorwürfe hatte Khan den Antrag auf Haftbefehle gegen führende israelische Politiker öffentlich gemacht – ein Schritt, der international wie innenpolitisch für erhebliche Reaktionen sorgte. Israel erkennt den Internationalen Strafgerichtshof nicht an und bestreitet dessen Zuständigkeit. Dennoch stieß Khans Vorgehen auf breite Unterstützung bei vielen Mitgliedsstaaten, so das Wall Street Journal.
Kritiker vermuten nun, dass die Ermittlungen gegen Israel auch intern als „Schutzschild“ für Khan dienen könnten. Laut internen Quellen habe die betroffene Mitarbeiterin ihre juristische Auseinandersetzung mit Khan zwischenzeitlich zurückgestellt – aus Sorge, die Verfahren gegen Netanjahu und Gallant zu gefährden, die sie ausdrücklich unterstütze.
Khan weist alle Vorwürfe zurück
Karim Khan hat die Anschuldigungen über seine Anwälte entschieden zurückgewiesen. Die Vorwürfe seien falsch, haltlos und hätten keinen Einfluss auf seine juristische Arbeit oder das Vorgehen gegen israelische Regierungsvertreter. Die Entscheidung, Haftbefehle zu beantragen, sei unabhängig und rein auf Basis von Fakten und internationalem Recht erfolgt, ließ Khan mitteilen.
Allerdings fällt auf, dass Khan eine zentrale Reise nach Israel und Gaza – ursprünglich als entscheidend für seine Bewertung angekündigt – kurz vor Bekanntgabe der Haftbefehle abgesagt hatte.
Interne Ermittlungen und internationale Beobachtung
Laut Wall Street Journal und UN-Kreisen laufen nun interne Untersuchungen beim IStGH sowie eine rechtliche Prüfung durch unabhängige Stellen der Vereinten Nationen. Die Aussagen der Klägerin gelten als detailliert und konsistent, werden jedoch auch im Kontext ihrer beruflichen Position innerhalb des Gerichts und der hochpolitischen Lage des Strafgerichtshofs bewertet.
Die Enthüllungen werfen einen Schatten auf die Institution, deren Glaubwürdigkeit auf dem Spiel steht – nicht nur im Umgang mit internationalen Kriegsverbrechen, sondern auch in ihrer eigenen Integrität gegenüber Mitarbeitenden.
Bild: APA
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