Ein ungewöhnlicher, aber strategisch motivierter Schritt inmitten einer tiefen Mobilisierungskrise: Seit Beginn des russischen Angriffskriegs hat die Ukraine schwerwiegende Verluste erlitten. Berichte über sinkende Freiwilligenzahlen, eine extrem hohe Zahl an  Deserteuren und wachsende Rekrutierungslücken setzen die Führung in Kiew zunehmend unter Druck.

Vor diesem Hintergrund hat Präsident Wolodymyr Selenskyj im Mai 2024 ein Gesetz unterzeichnet, das den freiwilligen Militärdienst für Strafgefangene ermöglicht – unter klaren Auflagen.

Bereits 8300 Häftlinge bei der Armee im Einsatz

Wie der stellvertretende Justizminister Jewhen Pikalow gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Ukrinform erklärte, haben sich bereits über 8300 Häftlinge der ukrainischen Armee angeschlossen. Weitere 1000 Anträge seien derzeit in Bearbeitung. Das Verteidigungsministerium betont, dass die Teilnahme an dem Programm streng reguliert sei.

Strenge Kriterien für den Fronteinsatz

Ein automatischer Übergang von der Haft zur Front ist ausgeschlossen. Wer dienen möchte, muss unter anderem:

• ein medizinisches Tauglichkeitszeugnis vorlegen,

• eine gerichtliche Genehmigung für eine vorzeitige Entlassung einholen,

• sowie die Zustimmung der militärischen Kommandeure erhalten.

Auch Gewaltverbrecher und Personen mit besonders schweren Delikten sind von dem Programm meist ausgeschlossen. Bisher haben sich laut Pikalow auch 100 Frauen für den Militärdienst aus dem Gefängnis heraus gemeldet.

Bis zu 30 Prozent der Inhaftierten könnten infrage kommen

Derzeit sind 37.000 Personen in ukrainischen Haftanstalten untergebracht. Schätzungen zufolge könnten zwischen 20 und 30 Prozent dieser Menschen – also etwa 7400 bis 11.100 Personen – theoretisch in die Streitkräfte integriert werden. Die Regierung sieht in diesem Schritt nicht nur eine Antwort auf den Personalmangel, sondern auch eine Chance zur Resozialisierung.

Der Einsatz von Häftlingen im Krieg bleibt international umstritten. Die russische Regierung wurde dafür in der Vergangenheit scharf kritisiert.