Während Smoothie-Bowls, Avocado-Toasts und Chia-Pudding über Jahre den Ton in hippen Cafés angaben, rollt jetzt eine neue Welle über die Frühstückstische Europas: das Balkan-Frühstück.
Ursprünglich ein herzhafter Start in den Tag für Arbeiter, die Kraft für lange Stunden auf dem Feld oder in der Fabrik brauchten, wird diese bodenständige Morgenmahlzeit plötzlich von Ernährungsexperten gelobt und in trendigen Bistros serviert. Was steckt dahinter – und warum könnte ein Frühstück mit Paprika, Käse und Fleisch gesünder sein als das ewige Müsli?
Was ist das Balkan-Frühstück?
Vergiss Cornflakes und Toast mit Marmelade. Auf den Frühstückstischen von Bosnien, Serbien, Kroatien, Montenegro und Nordmazedonien liegt das, was man eigentlich erst gegen Mittag erwartet.
Ein typisches Balkan-Frühstück besteht aus:
- Frischem Gemüse: Tomaten, Paprika, Gurken – alles roh und knackig.
- Brot: Meist hausgemacht, frisch gebacken oder als Fladenbrot.
- Käse: Oft Feta oder Kajmak, ein cremiger Frischkäse, der in der Region traditionell als Delikatesse gilt.
- Fleisch: Ob luftgetrockneter Rinderschinken (Goveda Pršuta) oder deftige Cevapcici – Proteine sind fester Bestandteil.
- Ajvar: Eine würzige Paprikapaste, die auf Brot gestrichen oder zu Eiern gegessen wird.
- Eier: Rührei oder Spiegeleier, oft mit Frischkäse oder geräuchertem Fleisch serviert.
Dazu gibt es entweder tiefschwarzen Kaffee oder Joghurt, der das Ganze abrundet. Viel Eiweiß, gute Fette, komplexe Kohlenhydrate – und kaum Zucker.
Warum wird das Balkan-Frühstück jetzt zum Trend?
Ernährungsberater entdecken, was Menschen auf dem Balkan schon lange wissen: Dieses Frühstück sättigt, ohne zu beschweren. Während westliche Frühstücksgewohnheiten oft auf schnellen Kohlenhydraten basieren (Toast, Marmelade, Müsli), liefert das Balkan-Frühstück eine bessere Nährstoffbalance.
Die britische Ernährungstherapeutin Helena Barham, die für Vogue über Ernährungsgewohnheiten schreibt, hebt die Vorteile dieses Frühstücks hervor: „Ein Frühstück mit Proteinen und gesunden Fetten sorgt für einen stabileren Blutzuckerspiegel als ein klassisches Müsli oder ein Croissant. Die Kombination aus Eiweiß, Ballaststoffen und gesunden Fetten sättigt länger und verhindert Heißhungerattacken im Laufe des Tages.“ Auch fermentierte Milchprodukte wie Joghurt spielen eine große Rolle für die Darmgesundheit, ergänzt Barham.
Diese Erkenntnisse decken sich mit Forschungsergebnissen der Universität Wien für Ernährungswissenschaften, die zeigen, dass proteinreiche Frühstücke mit gesunden Fetten nicht nur den Energiehaushalt besser regulieren, sondern auch das Risiko für Typ-2-Diabetes senken können. Laut der Studie, die im European Journal of Clinical Nutrition veröffentlicht wurde, wirkt sich die Kombination aus Gemüse, Proteinen und fermentierten Milchprodukten positiv auf die Verdauung aus und unterstützt die Darmflora.
Der Gegenentwurf zu überzuckerten Frühstücksgewohnheiten
Dass viele westliche Frühstücksgewohnheiten problematisch sind, zeigt auch ein Bericht des Deutschen Ernährungsberatungsinstituts, das in einer Langzeitstudie nachweisen konnte, dass über 60 % der verarbeiteten Frühstücksprodukte – von Fertigmüslis bis zu Frühstücksriegeln – einen überdurchschnittlich hohen Zuckeranteil enthalten. Das Problem: Die schnellen Kohlenhydrate sorgen für kurzfristige Energie, führen aber schnell zu Blutzuckerschwankungen und Hungergefühlen.
Die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Jelena Petrović von der Universität Belgrad, die sich mit traditionellen Ernährungsweisen befasst, erklärt: „Die westliche Ernährung hat sich immer mehr in Richtung süßer, hochverarbeiteter Frühstücke bewegt. Das Balkan-Frühstück hingegen setzt auf natürliche, unveränderte Lebensmittel, die über Jahrhunderte hinweg Teil der regionalen Esskultur waren.“ Sie verweist dabei auf traditionelle mediterrane Ernährungsweisen, die nachweislich mit einer höheren Lebenserwartung in Verbindung gebracht werden.
Ein weiterer Faktor ist die Rolle von Ballaststoffen. Ballaststoffreiche Kost stabilisiert den Blutzuckerspiegel und fördert eine gesunde Darmflora. Das NDR Gesundheitsmagazin bestätigte in einer Analyse, dass insbesondere rohe Gemüsesorten, wie sie im Balkan-Frühstück vorkommen, für eine gute Verdauung und langfristige Sättigung sorgen.
Kann das Balkan-Frühstück die Frühstücksgewohnheiten revolutionieren?
Die Antwort liegt wohl irgendwo zwischen Tradition und Moderne. Wer sein Marmeladenbrot gegen einen Teller mit frischem Gemüse, Proteinen und gesunden Fetten tauscht, könnte schnell einen Unterschied merken – nicht nur in der Sättigung, sondern auch in der Energie über den Tag hinweg.
Was einst als einfaches Bauernfrühstück galt, wird nun als vollwertige, gesunde Alternative zur westlichen Frühstückskultur gefeiert. Vielleicht ist es an der Zeit, das eigene Frühstück zu überdenken. Denn wenn ein Essen, das über Generationen als „Grundlage für einen harten Arbeitstag“ galt, heute von Ernährungswissenschaftlern empfohlen wird – dann könnte etwas dran sein.
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