Laut Sensburg müssten rund 300.000 bis 350.000 aktive Soldaten einsatzbereit sein – und zusätzlich eine Reserve von rund einer Million. Derzeit zählt die Bundeswehr etwa 180.000 aktive Soldaten. Die Reserve besteht lediglich aus 40.000 Personen, die regelmäßig üben. An etwa 900.000 ehemalige Soldaten, darunter 100.000 Afghanistan-Veteranen, könne man aus Datenschutzgründen nicht einmal herantreten.
Sensburg verweist auf NATO-Berechnungen, wonach im Kriegsfall an der Ostflanke täglich bis zu 5.000 Soldaten sterben könnten. Ohne eine ausreichende Reserve sei die Front binnen kürzester Zeit gefährdet. Er warnt: Wenn niemand mehr nachrückt, breche nicht nur die Verteidigung zusammen – auch das Opfer der aktiven Soldaten sei dann umsonst gewesen.
Deutliche Kritik richtet Sensburg auch an Verteidigungsminister Boris Pistorius. Dessen Modell eines freiwilligen Wehrdienstes mit 5.000 Teilnehmern pro Jahr sei völlig unzureichend. Zum Vergleich nennt er das Jahr 1991, in dem 300.000 Berufssoldaten jährlich 200.000 Wehrpflichtige ausgebildet hätten. Sensburg fordert daher die Rückkehr zur allgemeinen Wehrpflicht – und zwar für Männer und Frauen gleichermaßen. Die Diskussion darüber müsse jetzt zentraler Bestandteil der Koalitionsverhandlungen werden.
Das Argument, es gebe in den Kasernen nicht genug Platz, lässt Sensburg nicht gelten. Er selbst sei Einzelkind gewesen und hätte sich ebenfalls lieber ein Einzelzimmer mit Butler gewünscht, doch geteilt habe er sich die Stube mit acht Mann. Solche Probleme seien lösbar, wenn der politische Wille vorhanden sei.
Masse statt Klasse
Neben dem Personalmangel kritisiert Sensburg auch die schleppende Reaktion auf das Interesse Freiwilliger. Immer wieder würden Menschen, die sich als Reservisten melden wollen, von Karrierezentren der Bundeswehr abgewiesen – mit dem Hinweis, es gebe keine freien Planstellen. Auch die Ausrüstung lasse zu wünschen übrig: Bei einer Übung zum Orts- und Häuserkampf habe es zu wenig G36-Gewehre gegeben, sodass mit sogenannten Blueguns trainiert werden musste – Übungswaffen aus Kunststoff.
Sensburg fordert, sich von überteuerten High-Tech-Projekten zu verabschieden und wieder auf Masse zu setzen. Im Krieg zähle vor allem robuste, einsatzfähige Ausrüstung. Die Kalaschnikow sei in der Ukraine nicht umsonst das bevorzugte Gewehr, auch wenn das deutsche G36 technisch überlegen sei. Entscheidender sei die Verfügbarkeit. Munition müsse in ausreichenden Mengen gelagert werden – laut NATO-Standards für mindestens 30 Tage. Wer das nicht sicherstelle, verliere jegliche Glaubwürdigkeit in der Abschreckung.
Zum Schluss appelliert Sensburg an CDU, CSU und SPD, bei den laufenden Koalitionsverhandlungen endlich zu handeln. Wenn die neue Bundesregierung nicht rasch eine Kehrtwende einleite, gefährde sie die Sicherheit des Landes.
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