Kultusgemeinde warnt: Viele Antisemiten ins Land gelassen

Kultusgemeinde warnt: Viele Antisemiten ins Land gelassen

In einem Interview mit der „Münchner Abendzeitung“ schildert Charlotte Knobloch (APA-Bild unten) eine alarmierende Entwicklung, die sich im vergangenen Jahr weiter zugespitzt habe.

„Die Situation hat sich deutlich verschärft“, sagte Knobloch. „In den letzten Jahren sind viele Antisemiten nach Deutschland gekommen – und auch zuvor gab es hier bereits ein ernsthaftes Problem. Viele kämpfen in diesem Land gegen Juden.“

Dabei gehe es nicht nur um offene Gewalt oder Übergriffe. Besonders kritisch sieht Knobloch auch antisemitische Strömungen im akademischen Milieu. So äußerte sie sich besorgt über das sogenannte Pro-Palästina-Camp vor der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Zwar seien dort keine körperlichen Angriffe erfolgt, doch warnte sie:

„Diese Studenten haben den Boden bereitet für jene, die uns tatsächlich Schaden zufügen wollen.“

Knobloch, die seit Jahrzehnten zu den prägendsten Stimmen des jüdischen Lebens in Deutschland gehört, verweist auch auf Bedrohungen von rechter Seite. Bereits am Abend der Bundestagswahl hatte sie nach dem Wahlerfolg der AfD erklärt, Deutschland habe sich verändert. Nun mahnt sie erneut eindringlich, wachsam zu bleiben:

„Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben, dass die demokratischen Kräfte diese Entwicklung aufhalten können. Aber wir müssen uns ins Gedächtnis rufen, was in den 1920er-Jahren geschah – und was darauf folgte.“

Knoblochs Worte sind ein Appell an Politik, Gesellschaft und Zivilgesellschaft, dem zunehmenden Antisemitismus entschieden entgegenzutreten – und zugleich eine Mahnung aus historischer Verantwortung.

Hintergrund:

Charlotte Knobloch (geboren am 29. Oktober 1932 in München) ist eine deutsche Holocaust-Überlebende und eine herausragende Persönlichkeit des jüdischen Lebens in Deutschland. Seit 1985 steht sie der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG) als Präsidentin vor. Von 2006 bis 2010 war sie Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland und ist heute Ehrenpräsidentin dieser Organisation. Zudem engagiert sie sich international als Vizepräsidentin des Europäischen Jüdischen Kongresses und des Jüdischen Weltkongresses.

Kindheit und Überleben im Nationalsozialismus

Charlotte Knobloch wuchs in München als Tochter des jüdischen Rechtsanwalts und späteren bayerischen Senators Fritz Neuland auf. Nach der Scheidung ihrer Eltern 1936 wurde sie von ihrer Großmutter Albertine Neuland erzogen, die 1942 ins Ghetto Theresienstadt deportiert wurde und dort 1944 verstarb. Um der Verfolgung zu entgehen, wurde Charlotte 1942 von der ehemaligen Hausangestellten ihres Onkels, Kreszentia Hummel, auf einem Bauernhof in Mittelfranken versteckt und als uneheliches Kind ausgegeben. So überlebte sie die NS-Zeit.

Engagement für jüdisches Leben und Erinnerungskultur

Nach dem Krieg kehrte Knobloch nach München zurück. 1951 heiratete sie den Holocaust-Überlebenden Samuel Knobloch, mit dem sie drei Kinder bekam, darunter Iris Knobloch, die 2023 als erste Frau das Filmfestival von Cannes leitete.

In ihrer Funktion als Präsidentin der IKG initiierte Knobloch bedeutende Projekte zur Stärkung des jüdischen Lebens in München. Dazu zählt das 2006 eröffnete Jüdische Zentrum am St.-Jakobs-Platz, das die Hauptsynagoge Ohel Jakob, ein Gemeindehaus und das Jüdische Museum umfasst.

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zimbo

Dem Deutsch hats gefallen. Aber irgendwer muss ja seinen Alvorada trinken.

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