Können wir das Altern rückgängig machen? Die Wissenschaft sagt: Vielleicht

Können wir das Altern rückgängig machen? Die Wissenschaft sagt: Vielleicht

Klingt nach Science-Fiction, doch genau daran arbeiten führende Forscher weltweit. Die Zellalterung ist kein unumkehrbarer Prozess – zumindest nicht in der Theorie. Und in Experimenten mit Mäusen, Würmern und Affen hat sich bereits gezeigt: Altern kann manipuliert, gestoppt – und in manchen Fällen sogar rückgängig gemacht werden.

Sind wir also auf dem Weg zur biologischen Unsterblichkeit? Oder ist das nur eine neue Version des alten Traums vom Jungbrunnen – diesmal mit Petrischalen und DNA-Editierung statt magischen Quellen?

Die Uhr zurückdrehen: Was die Wissenschaft bereits geschafft hat

Der Schlüssel zum Altern liegt in unseren Zellen. Jedes Mal, wenn sie sich teilen, verlieren sie ein winziges Stück ihrer Telomere – die Schutzkappen an den Enden unserer Chromosomen. Mit der Zeit werden diese immer kürzer, bis die Zelle stirbt oder in eine Art Zombie-Zustand übergeht, die sogenannte Seneszenz.

Doch Forscher haben herausgefunden, dass sich diese Zellalterung aufhalten – und sogar umkehren – lässt.

2012 erhielten die Wissenschaftler Shinya Yamanaka und John Gurdon den Nobelpreis für Medizin, weil sie gezeigt hatten, dass sich erwachsene Zellen mit bestimmten Proteinen – den Yamanaka-Faktoren – in einen jugendlichen Zustand zurückversetzen lassen (Takahashi & Yamanaka, Cell, 2006).

2020 ging ein Team um den Harvard-Genetiker David Sinclair noch einen Schritt weiter: Sie schafften es, mit einer modifizierten Version der Yamanaka-Faktoren die Sehnerven alter Mäuse zu regenerieren. Blinde Tiere konnten plötzlich wieder sehen – nicht durch eine Prothese, sondern weil ihre Nervenzellen buchstäblich verjüngt wurden (Lu et al., Nature, 2020).

Und es geht weiter:

2022 veröffentlichte ein Team am Salk Institute eine bahnbrechende Studie, in der sie mit denselben Methoden die biologische Uhr von Mäusen um 50 % zurückdrehten – ohne dabei Krebs oder andere Nebenwirkungen auszulösen (Sarkar et al., Nature Aging, 2022).

Das bedeutet nicht nur, dass sich einzelne Zellen regenerieren lassen – sondern möglicherweise ganze Organe, vielleicht sogar ganze Körper.

Länger leben oder für immer leben?

Viele Wissenschaftler sind überzeugt, dass der erste Mensch, der 150 Jahre alt wird, bereits geboren wurde. Der Longevity-Forscher Aubrey de Grey behauptet sogar, dass „der erste Mensch, der 1.000 Jahre alt wird, in dieser Generation lebt“ (de Grey, Ending Aging, 2007).

Die Idee ist nicht nur Spekulation: Unternehmen wie Altos Labs und Calico (gegründet von Google) investieren Milliarden in die Erforschung von Zellverjüngung und Altersmedizin. Der Jeff-Bezos-finanzierte Longevity-Konzern Altos Labs hat einige der führenden Forscher im Bereich der Zellreprogrammierung abgeworben – mit dem klaren Ziel, das Altern nicht nur zu verlangsamen, sondern es rückgängig zu machen.

Doch nicht alle teilen diesen Optimismus:

Dr. Matt Kaeberlein, ein führender Longevity-Forscher, warnt davor, dass die Manipulation der Zellalterung Risiken birgt. „Das größte Problem ist, dass Krebs und Zellverjüngung zwei Seiten derselben Medaille sind“, erklärt er in The Journals of Gerontology, 2021. Denn wenn man Zellen in einen jugendlichen Zustand zurückversetzt, kann das auch dazu führen, dass sie sich unkontrolliert teilen – ein Hauptmerkmal von Krebszellen.

Dennoch sind die Fortschritte unbestreitbar. Es ist nicht mehr die Frage, ob wir das Altern beeinflussen können – sondern wie weit wir gehen wollen.

Stehen wir vor einer neuen Ära?

Noch ist die Technik nicht bereit für den Menschen. Aber die Grundlagen sind gelegt. Wir stehen an der Schwelle zu einer Zukunft, in der Altern nicht mehr unvermeidlich ist – sondern eine behandelbare Erkrankung. Die spannendste Frage bleibt: Wenn das Leben unbegrenzt wäre – was würden wir damit anfangen?

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