Ron Prosor (66) ist ein kluger, sympathischer Mensch, der überlegt kommuniziert – der Verfasser dieser Zeilen durfte mit ihm bereits vor einiger Zeit in Jerusalem ein langes Hintergrundgespräch führen.
Dass der Botschafter Israels nun mit einem hart formulierten offenen Brief gegen das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ vorgeht, muss also einen wichtigen Grund haben – und das ist auch so: Das Wochenblatt hat ein Interview mit dem israelischen, in den USA lehrenden Historiker Omer Bartov, am 27. Januar veröffentlicht.
Und Bartov hat auf die Frage, ob „der Holocaust den Israelis nicht als Lehre der Menschlichkeit“ gedient habe, mit dem Satz geantwortet: „Im Gegenteil, er dient als Lehre der Unmenschlichkeit. Um es ganz deutlich zu sagen, der Holocaust dient den jüdischen Israelis dazu, sich selbst als außerhalb jeglicher moralischer und ethischer Grenzen, die für andere Menschen gelten, zu begreifen.“ Zudem sei in Gaza „ein Muster, das auf einen Völkermord hindeutet“ zu erkennen, etwa durch „etliche Belege von absichtlicher Zerstörung“.
„Ein Paar, das einem sonst nur im Albtraum begegnet“
Nun stellt sich Botschafter Ron Prosor vor seine Heimat und formuliert in seinem offenen Brief an den „Spiegel“: Bartov würde „sein eigenes Land der Unmenschlichkeit bezichtigen“. Dies sei „weder das erste Mal noch Zufall“ gewesen. Vielmehr komme Bartov „aus dem altbekannten Chor aus von Selbsthass zerfressenen Israelis und antisemitischen Juden“. Bartov missbrauche die Erinnerung an den Holocaust, „um eine verdrehte, hasserfüllte Botschaft zu verbreiten“.
Gegen den „Spiegel“ argumentiert Israels Botschafter: Die Redaktion verstecke sich „hinter Interviewpartnern“. Das Magazin habe sich „längst darauf spezialisiert, eine unvollständige Momentaufnahme zur Basis haltloser Märchengeschichten über Israel zu machen“. Bartov und der „Spiegel“ seien daher „ein Paar, das einem sonst nur im Alptraum begegnet“. Die prominente Platzierung des Interviews am Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust sei zudem Ausweis einer „offensichtlich hasserfüllten redaktionellen Entscheidung“. Der Brief endet mit dem Satz: „Schämen Sie sich!“
Nachrichtenmagazin bedauert den Fehler
Die Medienstelle des „Spiegel“ antwortete dazu: Es wurde „umfassend und sorgfältig zum Holocaust-Gedenktag berichtet“. Chefredakteur Kurbjuweit werde „selbstverständlich“ auf den Brief von Botschafter Prosor antworten, sobald er vorliege. Und: „An diesem besonderen Tag waren der Titel und die Platzierung des Interviews mit dem Genozid-Experten Omer Bartov auch aus unserer Sicht ein Fehler, den wir umgehend korrigiert haben.“
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