Gender-Müll: Wie die Abfallwirtschaft die Geschlechter trennt

Gender-Müll: Wie die Abfallwirtschaft die Geschlechter trennt

Obwohl Frauen in der Abfallwirtschaft weltweit eine zentrale Rolle spielen, bleiben sie oft unsichtbar und haben kaum Zugang zu besseren Positionen. Ein genauerer Blick auf Wien und die MA 48, das städtische Unternehmen für Müllabfuhr und Abfallwirtschaft, offenbart die tief verwurzelte Ungleichheit in dieser Branche.

Die MA 48 – zuständig für die Müllabfuhr, Straßenreinigung und Abfallbehandlung in Österreichs Hauptstadt – ist ein gutes Beispiel für die geschlechtsspezifischen Herausforderungen in der Abfallwirtschaft. Von mehr als 2000 Umweltarbeitern, die in den operativen Bereichen wie Müllabfuhr, Straßenkehren und Fuhrpark tätig sind, sind lediglich rund 100 Frauen – gerade einmal fünf Prozent. Frauen übernehmen in der Regel die weniger sichtbaren, körperlich anstrengenden Aufgaben. Die Müllabfuhr selbst bleibt, wie auch im internationalen Kontext, weitgehend eine Männerdomäne.

Es gibt bei der MA 48 keine Müllsortierung im klassischen Sinne, sondern Abfallbehandlungsanlagen. Hier arbeiten 10 Frauen und 89 Männer – die Frauenquote bleibt also auch hier niedrig. Diese Zahlen spiegeln wider, wie stark geschlechtsspezifische Arbeitsteilungen in der Branche nach wie vor präsent sind.

Unsichtbare Arbeit im informellen Sektor

Die MA 48 zeigt ein Bild, das auf globaler Ebene weit verbreitet ist: In vielen Ländern sind es vor allem Frauen, die in den informellen Sektoren der Abfallwirtschaft arbeiten. Sie sind es, die auf Deponien in Entwicklungsländern oder in den weniger sicheren Bereichen der Abfallbehandlung die wertvollen Materialien herausklauben – mit wenig Schutz, dafür aber mit hohen gesundheitlichen Risiken. Besonders im Umgang mit Elektroschrott, der in den armen Regionen der Welt auf riesigen Müllhalden landet, sind Frauen oft den giftigen Substanzen wie Quecksilber und Blei ausgesetzt, ohne dass Sicherheitsvorkehrungen greifen.
Diese Arbeit ist schlecht bezahlt, gefährlich und von der Gesellschaft weitgehend unsichtbar. Männer hingegen übernehmen die profitableren und sichtbareren Tätigkeiten wie das Sammeln und den Handel mit Abfällen. In Wien zeigt sich dieses Ungleichgewicht auch im Management der MA 48, wo von den acht Top-Positionen nur drei von Frauen besetzt sind.

Die MA 48 sorgt auch zu Weihnachten für ein sauberes Wien Copyright: Nikki Harris / Stadt Wien
Die MA 48 sorgt auch zu Weihnachten für ein sauberes Wien
Copyright: Nikki Harris / Stadt Wien

Gendergerechtigkeit auf dem Müllberg: Ein langfristiger Prozess

Doch die MA 48 ist sich des Problems bewusst und verfolgt bereits Maßnahmen, um die Frauenquote zu erhöhen. Die Stadt Wien hat mit dem Gleichbehandlungsgesetz eine gesetzliche Grundlage geschaffen, die dazu beiträgt, den Frauenanteil in der Müllwirtschaft zu steigern. Doch trotz dieser Bemühungen bleibt die Zahl weiblicher Bewerbungen für operative Tätigkeiten gering: Nur rund fünf Prozent der Bewerber im operativen Bereich sind Frauen.
Dennoch zeigt ein Blick auf konkrete Programme wie die Weiterbildungsangebote der Verwaltungsakademie der Stadt Wien, dass ein Umdenken möglich ist. Hier werden Frauen gezielt gefördert, und in einigen Projekten konnten Frauen in Indien beispielsweise zu wichtigen Akteuren in der formalen Recyclingwirtschaft aufsteigen, mit besseren Löhnen und mehr sozialen Absicherungen.

Der Abfallsektor als Chance
für eine gerechtere Zukunft

Der Abfallsektor ist mehr als nur Müll. Er ist ein Spiegelbild gesellschaftlicher Ungleichheit – nicht nur in Bezug auf die Arbeitsbedingungen, sondern auch in Bezug auf die Verteilung von Macht und Ressourcen. Frauen übernehmen oft die „unsichtbare“ Arbeit und sind in den risikoreichen, schlecht bezahlten Bereichen der Abfallwirtschaft gefangen. Doch mit der richtigen Unterstützung – durch Weiterbildung, rechtliche Maßnahmen und politische Initiativen – könnte der Sektor zu einem Motor für mehr Gleichberechtigung und eine nachhaltigere Kreislaufwirtschaft werden.
In Wien, wie auch weltweit, bleibt noch viel zu tun, um Frauen in der Müllwirtschaft die gleichen Chancen zu bieten wie ihren männlichen Kollegen. Die Entwicklung eines gerechten und nachhaltigen Abfallsektors wird jedoch nur möglich sein, wenn wir die geschlechtsspezifischen Ungleichgewichte ansprechen und konkret handeln. Nur so wird es möglich sein, dass Frauen nicht nur die Lasten des Mülls tragen, sondern auch die Chance erhalten, die Führung in einer nachhaltigeren Zukunft zu übernehmen.

 

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