In der Partei formiert sich Widerstand gegen eine sofortige Übernahme der Führung durch Annalena Baerbock (44): Die nun deutlich verkleinerte Bundestagsfraktion kam zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Eine Wahl der neuen Fraktionsführung oder eine Bestätigung der bisherigen Spitze fand jedoch nicht statt – stattdessen stand zunächst eine ausführliche Aussprache im Mittelpunkt.
Robert Habeck lieferte eine Analyse der Wahlniederlage und soll laut Teilnehmenden eingeräumt haben, dass sein Politikansatz nicht mehr ganz in die aktuelle Zeit passe. Diese unerwartet selbstkritische und nachdenkliche Haltung sorgte für Erstaunen, insbesondere nach seinem zuvor eher gereizten bis lustlosen Auftritt vor der Hauptstadtpresse. So reflektiert hatte man Habeck schon lange nicht mehr erlebt, berichtet Die Zeit.
Dann sorgte allerdings dei Rede von Annalena Baerbock für Irritationen: Weite Teile ihrer Rede soll sie über ihre Zeit als Außenministerin referiert haben, teilweise sogar in der dritten Person: Die Außenministerin habe sich für Frauenrechte in Syrien eingesetzt. Für die Zivilbevölkerung in Gaza. Für die Ukraine. Es habe, sagt ein Abgeordneter, gewirkt wie eine Laudatio auf sich selbst. Dabei habe die Fraktion nicht wissen wollen, was die Außenministerin alles richtig gemacht hat, sondern wie es mit den Grünen in Zukunft weitergeht. Dazu lieferte Baerbock allerdings keine Ansätze.
Im Realo-Flügel, dem auch Annalena Baerbock angehört, machte sich nach der Sitzung spürbare Ernüchterung breit. Ein Abgeordneter sprach gar von „Schock“, ein anderer fühlte sich „wie im falschen Film“. Und die düstere Prognose eines weiteren Mitglieds ließ keinen Zweifel daran, worauf sich die Sorge richtete: „Wenn wir so in die nächste Legislatur gehen, wird es ganz düster.“ Mit „so“ meinte er Baerbock an der Spitze.
Dabei schien die Machtverteilung eigentlich bereits festzustehen. Nach dem Rückzug von Robert Habeck galt es als ausgemacht, dass sich die Führungsrolle in der Partei nun bei Annalena Baerbock bündeln würde – als neue Fraktionschefin und damit als zentrale Figur der Grünen. Doch plötzlich steht genau das infrage.
Eine mögliche Wahl Baerbocks zur Fraktionsvorsitzenden wird nun nicht nur als Personalentscheidung für die Gegenwart betrachtet, sondern als Weichenstellung für die Bundestagswahl 2029. Sie wäre dann die unangefochtene Spitzenfigur, die unumstrittene Frontfrau für die kommenden Jahre. Und genau das, so eine wachsende Überzeugung, müsse jetzt verhindert werden.
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