Ohne schnell wachsende Exportmärkte ist das deutsche Wirtschaftsmodell „am Ende“, sagte Jacob Kirkegaard, Senior Fellow am Peterson Institute for International Economics in Washington, D.C., mit Sitz in Brüssel zum Wall Street Journal.
Deutsche Automobilhersteller und ihre Zulieferer haben bereits den Abbau von Zehntausenden Arbeitsplätzen angekündigt. Deutschlands verarbeitende Industrie, die weltweit drittgrößte, schrumpft seit sieben Jahren kontinuierlich. Die gesamte Wirtschaft hat in den vergangenen zwei Jahren ebenfalls eine Schrumpfung erlebt – laut dem Statistischen Bundesamt das erst zweite Mal seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1951, dass es zu zwei aufeinanderfolgenden jährlichen Rückgängen kam.
Das Bruttoinlandsprodukt stagniert seit 2019, dem Jahr vor der Covid-19-Pandemie – die längste Phase wirtschaftlicher Stagnation seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die meisten Ökonomen gehen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft auch in diesem Jahr wieder stagnieren wird.
Die USA, die zuletzt noch ein Entlastungsventil darstellten, werden wohl nicht zur Rettung beitragen: Präsident Donald Trump droht, den globalen Handel durch eine Reihe von Zöllen zu stören, die den Zugang zum US-Markt – Deutschlands größtem Exportmarkt – erschweren würden.
Für Deutschland, das in einem Monat ein neues Parlament wählt, ist die aktuelle Situation noch beunruhigender als die Mitte der 2000er Jahre, als die Arbeitslosenquote 12 % erreichte – doppelt so hoch wie heute. Dennoch beschäftigen sich nur wenige Politiker mit den grundlegenden Veränderungen, die aus Sicht von Ökonomen erforderlich sind. „Die Deutschen wollen sich dem Problem nicht stellen“, sagte Ludovic Subran, Chefökonom der Allianz. „Sie denken immer noch, es sei eine vorübergehende Delle, die sie mit ihren bewährten, schrittweisen Lösungen beheben können. Doch das wird nicht reichen.“
Deutschland mit seinen 83 Millionen Einwohnern wurde zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt, indem es Ingenieurprodukte – Autos, Roboter, Züge, Industriemaschinen – herstellte und exportierte, die weltweit nachgefragt wurden. Doch die Welt wendet sich zunehmend von „Made in Germany“ ab, und Deutschland hat keinen Plan B.
300.000 Arbeitsplätze gefährdet
Die industrielle Produktion ist seit 2018 um 15 % zurückgegangen, und die Zahl der Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe ist um 3 % gesunken. Laut Stefan Wolf, Präsident eines Branchenverbands der Metall- und Elektroindustrie, könnten in den nächsten fünf Jahren bis zu 300.000 Arbeitsplätze in diesem Sektor wegfallen, da die Unternehmen mit hohen Kosten kämpfen. „Die Deindustrialisierung ist in vollem Gange“, so Wolf. Seit 2021 seien über 300 Milliarden Euro an Investitionskapital aus Deutschland abgeflossen.
Neueste Kommentare