exxtra24: Herr Strache, Sie haben eine lange politische Laufbahn hinter sich, die in der Steiermark begann. Wie kamen Sie damals zur Politik?
Max Strache: Ich bin in Judenburg in der Steiermark aufgewachsen und habe dort eine Lehre als Werkzeugschmied in einem Voestalpine-Betrieb gemacht. Ich war kräftig gebaut und dachte, ich würde in die Federnschmiede kommen – also in die Produktion von Autofedern und ähnlichen Bauteilen. Doch mein Weg nahm eine andere Richtung.
Meine Freunde und Kollegen haben mich zum Jugendvertrauensmann gewählt. Das war mein erster richtiger Kontakt mit politischer Arbeit. Ich habe mich um die Anliegen meiner Generation gekümmert, sei es in der Ausbildung, bei Arbeitsbedingungen oder wenn es sonstige Probleme gab.
exxtra24: Welche Themen haben Sie damals besonders beschäftigt?
Max Strache: Ein großes Thema war die Einführung der 40-Stunden-Woche für Lehrlinge. Ich erinnere mich noch gut: Der Direktor des Betriebs rief mich zu sich und wollte mit mir darüber sprechen. Ich war zwar engagiert, aber ich wusste, dass es schwer werden würde, als junger Mann allein gegen die Unternehmensführung zu argumentieren. Also habe ich den Gewerkschaftssekretär hinzugezogen, um Rückhalt zu haben.
Am Ende wurde die Regelung durchgesetzt – ab dem 1. Jänner trat die neue Arbeitszeit in Kraft. Das war für mich eine prägende Erfahrung: Ich habe gelernt, dass man mit Beharrlichkeit und den richtigen Verbündeten tatsächlich etwas verändern kann.
exxtra24: War das der Punkt, an dem Sie sich entschieden haben, in die Politik zu gehen?
Max Strache: Es war weniger eine bewusste Entscheidung als ein schrittweises Hineinwachsen. Ich blieb weiterhin in meinem Betrieb, kümmerte mich aber nebenbei um die Interessen der Jugendlichen. Dann kam der Landesparteisekretär der Steiermark, Hannes Bammer, auf mich zu und meinte: „Ich brauche dich in Graz.“
Also wechselte ich nach Graz und wurde Landesjugendsekretär der SPÖ. Dort habe ich fünf Jahre lang viele Projekte umgesetzt, darunter den ersten und einzigen Nachtslalom in der Stadt mit der österreichischen Skinationalmannschaft.
exxtra24: Und dann kam Wien ins Spiel?
Max Strache: Genau. Der damalige Wiener Bürgermeister war auch Zentralsekretär der SPÖ und kam eines Tages auf mich zu. Er sagte: „Ich brauche dich in Wien. Dort wohnen eineinhalb Millionen Menschen – das ist eine andere Dimension als Graz.“
Ich war anfangs skeptisch. Ich musste mir das gut überlegen, aber am Ende habe ich zugesagt und bin 1965 oder 1966 nach Wien gewechselt. Dort arbeitete ich als Organisationssekretär in der Löwelstraße.
exxtra24: Welche Aufgaben hatten Sie dort?
Max Strache: Ich habe eine ganze Reihe von Dingen organisiert, darunter Parteitage. Ich erinnere mich besonders an den Parteitag, bei dem Bruno Kreisky zum Vorsitzenden gewählt wurde.
Kurz darauf rief mich Kreisky zu sich. Er sagte: „Ich brauche jemanden, der mit mir den Wahlkampf macht. Aber du musst genau das tun, was ich sage.“ Ich habe geantwortet: „Wir werden sehen, wie das läuft.“
exxtra24: Das heißt, Sie waren mitten im Wahlkampfgeschehen?
Max Strache: Absolut. 1970 haben wir die Kampagne quer durch Österreich geführt, von Wien bis Bregenz. Wir haben Hunderte Veranstaltungen abgehalten – und gewonnen.
Kaum war der Wahlkampf vorbei, stand schon der nächste an: die Bundespräsidentschaftswahl von Franz Jonas. Kreisky rief mich wieder und sagte: „Wir machen jetzt den nächsten Wahlkampf.“ Also habe ich auch diese Kampagne organisiert.
Drei Monate später ging es erneut los. Diesmal wollte Kreisky die absolute Mehrheit für die SPÖ erreichen. Das war 1971 – und wir haben es tatsächlich geschafft. Zwei Jahre später starb Bundespräsident Jonas, und Kirchschläger trat an. Natürlich waren wir auch da wieder voll im Einsatz.
Interviewer: Kreisky gilt bis heute als eine der prägendsten Figuren der österreichischen Politik. Was war sein Erfolgsgeheimnis?
Max Strache: Er war ein Politiker, der den direkten Kontakt zu den Menschen gesucht hat. Ich erinnere mich an eine Szene in Tirol: Wir fuhren durch ein kleines Dorf, als ein Mann auf der Straße unser Auto anhielt. Er sagte, er habe mit seinen Freunden gewettet, dass er den Bundeskanzler zu ihnen ins Gasthaus bringen kann. Kreisky stieg tatsächlich aus und verbrachte mit ihnen eine Viertelstunde.
Das war seine Art – er war greifbar, nahbar. Die Leute hatten das Gefühl, dass er sich wirklich für sie interessiert.
exxtra24: Diese Art von Politik vermissen Sie heute?
Max Strache: Ja, eindeutig. Heute läuft vieles über Medien, über Social Media – aber das ersetzt nicht den direkten Kontakt. Politik muss spürbar sein. Man kann nicht nur über Probleme reden, man muss sie auch mit den Menschen besprechen.
Ich habe oft das Gefühl, dass Gemeinderäte und Abgeordnete diesen direkten Austausch nicht mehr ausreichend pflegen. Und das kostet Vertrauen.
exxtra24: Hat sich das durch die Corona-Pandemie noch verstärkt?
Max Strache: Definitiv. Viele Politiker haben sich in dieser Zeit zurückgezogen, und das merkt man bis heute. Es wird dauern, bis diese Nähe wiederhergestellt ist.
exxtra24: Wie sehen Sie die aktuelle Situation der SPÖ?
Max Strache: Diskussionen innerhalb der Partei gab es immer. Auch Kreisky hatte nicht von Anfang an ungeteilte Zustimmung. Als er Parteivorsitzender wurde, erhielt er nur 67 % der Stimmen am Parteitag – das war keineswegs ein Selbstläufer.
Wichtig ist, dass die Partei nach außen geschlossen auftritt. Interne Streitigkeiten in der Öffentlichkeit sind schädlich.
exxtra24: Was bräuchte die SPÖ heute, um wieder erfolgreicher zu werden?
Max Strache: Zwei Dinge: klare, verständliche Themen und Nähe zu den Menschen. Die Partei muss aufzeigen, wo sie wirklich etwas verändern kann – und das nicht nur in Presseaussendungen, sondern im direkten Kontakt mit den Bürgern.
exxtra24: Glauben Sie, dass sich die politische Landschaft in Österreich langfristig verändern wird?
Max Strache: Die ÖVP ist traditionell Mitte-rechts, die SPÖ links. Wichtig wäre, eine Balance zu finden. Ein großes Thema ist die Wirtschaft – wenn die Arbeitslosigkeit steigt, wird das Auswirkungen auf die gesamte politische Landschaft haben.
exxtra24: Abschließend: Sind Sie optimistisch für die Zukunft der SPÖ?
Max Strache: Es wird nicht einfach. Aber wenn die Partei sich auf ihre Stärken besinnt und wieder näher an die Menschen heranrückt, kann sie wieder erfolgreicher werden. Entscheidend ist, dass sie nicht nur redet, sondern handelt.
Max Strache ist nicht nur eine prägende Figur der österreichischen Sozialdemokratie, sondern auch ein wichtiger Wegbegleiter des exxtra24-Herausgebers Markus Posset. Die beiden verbindet eine langjährige Freundschaft und ein gemeinsames Interesse an politischer Kommunikation und Medienarbeit.
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