Ekrem Imamoglu (APA-Bild unten), der einzige Kandidat seiner Partei für die bevorstehende Präsidentschaftsvorwahl, gilt als potenzieller Herausforderer bei der nächsten Wahl. Nun hat die türkische Polizei ihn als einen der wichtigsten politischen Rivalen von Präsident Recep Tayyip Erdogan festgenommen. Die Staatsanwaltschaft wirft Istanbuls Bürgermeister Imamoglu sogar Terrorismus-Planungen vor.
Laut der türkischen Staatsagentur Anadolu wird Imamoglu beschuldigt, eine kriminelle Organisation zu führen und mit terroristischen Gruppen in Verbindung zu stehen.
Imamoglu wies die Vorwürfe entschieden zurück und bezeichnete sie als „Putsch gegen den Willen des Volkes“. In einem auf X veröffentlichten Video erklärte er um 7 Uhr morgens Ortszeit, dass die Polizei am Mittwochmorgen vor seiner Tür erschienen sei.
„Der Wille des Volkes kann nicht durch Einschüchterung oder rechtswidrige Maßnahmen zum Schweigen gebracht werden.“ schrieb Imamoglu in einem weiteren Tweet.
Die türkische Lira brach am Mittwoch um mehr als 6 % gegenüber dem US-Dollar ein, und auch die türkischen Aktienmärkte gerieten unter Druck.
Ein Herausforderer für Erdogan
Imamoglu gewann 2019 die Bürgermeisterwahl in Istanbul und etablierte sich als wichtiger Gegner Erdogans, der die Türkei seit über zwei Jahrzehnten regiert. Im vergangenen Jahr wurde er wiedergewählt und führte die oppositionelle Republikanische Volkspartei (CHP) zu einem landesweiten Erfolg bei den Kommunalwahlen.
Er gilt als aussichtsreicher Kandidat, um eines Tages gegen Erdogan und die regierende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) um das Präsidentenamt anzutreten. Imamoglu ist der einzige Bewerber in der CHP-Präsidentschaftsvorwahl, die noch in diesem Monat stattfinden soll, berichtet das Wall Street Journal.
Erdogan ist seit 2014 Präsident der Türkei, einem NATO-Mitglied und einem geopolitischen Machtfaktor zwischen Europa und dem Nahen Osten. Zuvor war er elf Jahre lang Premierminister.
Die Anklage gegen Imamoglu könnte weitreichende Auswirkungen auf die politische Zukunft der Türkei haben. Erdogan hat wiederholt Wahlen gewonnen, doch in der Vergangenheit wurden auch andere prominente Politiker, Journalisten und Aktivisten unter umstrittenen Anklagen inhaftiert, die sie als Unterdrückung der demokratischen Opposition kritisieren.
Massenverhaftungen und Einschränkungen der Meinungsfreiheit
Insgesamt 79 Personen wurden am Mittwoch in Istanbul festgenommen, darunter Imamoglu und zwei weitere CHP-nahe Bürgermeister lokaler Gemeinden, berichtete Anadolu. Imamoglu wurde auf eine Polizeistation in Istanbul gebracht, und seine Wohnung wurde durchsucht.
Imamoglu hatte bereits früher justizielle Auseinandersetzungen. Im Dezember 2022 wurde er wegen Beleidigung von Beamten zu einer Haftstrafe verurteilt, durfte aber sein Amt behalten, solange er das Urteil anfocht. Er bezeichnete die Vorwürfe damals als politisch motivierten Versuch, ihn zum Schweigen zu bringen.
Im Jahr 2023 war Imamoglu Teil einer Oppositionskoalition, die Erdogan in der Präsidentschaftswahl herausforderte. Erdogan besiegte jedoch den CHP-Spitzenkandidaten Kemal Kılıçdaroğlu.
Am Dienstag, einen Tag vor seiner Verhaftung, entzog die Universität Istanbul Imamoglu offiziell seinen Universitätsabschluss – eine Voraussetzung für eine Kandidatur als Präsident. Imamoglu bezeichnete diese Entscheidung als „rechtswidrig“ und „null und nichtig“.
Erdogan steht laut Verfassung 2028 vor einer Amtszeitbegrenzung, könnte aber erneut antreten, falls das Parlament eine vorgezogene Wahl ausruft oder die Verfassung ändert.
Sperre sozialer Medien, Demonstrationsverbot
Die Istanbuler Stadtverwaltung verhängte am Mittwoch ein Verbot für öffentliche Demonstrationen und Versammlungen. Zudem wurden Straßen gesperrt und Teile des U-Bahn-Netzes stillgelegt.
Am Mittwochmorgen konnten Istanbuls Bürger zeitweise nicht auf soziale Netzwerke wie X, Instagram und WhatsApp zugreifen. Die Organisation NetBlocks, die Internetzensur weltweit überwacht, bestätigte, dass die türkische Regierung den Zugang zu X, YouTube, Instagram und TikTok eingeschränkt hat.
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