Neuer Asyl-Kurs: Deutschland scheitert mit Zurückschiebung

Neuer Asyl-Kurs: Deutschland scheitert mit Zurückschiebung

Seit 5.45 Uhr wird wieder zurückgeschoben: Die deutsche Grenzpolizei scheiterte bei einem Grenzübergang in Polen mit der Rückschiebung von zwei Afghanen – die polnischen Behörden nahmen die beiden Migranten einfach nicht mehr. Die beiden Afghanen wurden in die Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt gebracht und bleiben vorerst in Deutschland.

Trotz verschärfter Grenzkontrollen und politischer Ansagen des deutschen Kanzlers und des Innenministers zur Zurückweisung unerlaubt eingereister Migranten hat sich die Realität an der deutsch-polnischen Grenze als weitaus komplizierter erwiesen: Zwei afghanische Asylsuchende, die von der Bundespolizei an der Grenze zu Polen aufgegriffen wurden, dürfen zunächst in Deutschland bleiben – weil Polen ihre Rücknahme verweigerte.

Am frühen Montagmorgen gegen 5.45 Uhr entdeckten Beamte der Bundespolizei im brandenburgischen Grenzort Guben zwei junge Männer im Alter von 20 und 23 Jahren. Die beiden hatten nach eigenen Angaben die Grenze über eine Eisenbahnbrücke aus Polen überquert – ohne gültige Dokumente. Ihr Ziel: Asyl in Deutschland beantragen.

Gemäß der geltenden Anweisung des Bundespolizeipräsidiums hätte der Vorfall zu einer sofortigen Rückschiebung nach Polen führen sollen. Denn obwohl die Männer bereits deutschen Boden betreten hatten, wären die rechtlichen Voraussetzungen für eine Rückführung gegeben gewesen.

Doch der polnische Grenzschutz lehnte ab – mit Verweis auf die Dublin-III-Verordnung, die regelt, welcher EU-Staat für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist. Weil die Männer bereits in Deutschland Asyl beantragt hatten, sah sich Polen nicht zuständig. Die Folge: Die beiden Afghanen wurden in die Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt gebracht und bleiben vorerst in Deutschland.

EU-Recht versus nationale Politik

Der Fall offenbart einmal mehr die juristische und praktische Komplexität des europäischen Asylsystems. Denn obwohl Bundesinnenminister Alexander Dobrindt erst am 7. Mai verschärfte Grenzkontrollen und konsequente Zurückweisungen angekündigt hatte, sind die rechtlichen Spielräume auf EU-Ebene klar begrenzt.

Dobrindt betont, dass Deutschland lediglich geltendes Recht anwende. Doch wie es sich mit dem europäischen Rechtsrahmen – insbesondere der Dublin-Verordnung – verträgt, bleibt ungeklärt. Auf Nachfrage im ZDF-Morgenmagazin, ob nationale Maßnahmen die europäischen Regeln aushebeln, wich der Minister aus. Die Frage, ob die Dublin-Regeln damit de facto ausgesetzt würden, blieb unbeantwortet.

Kritik aus dem Ausland

Nicht nur Polen verweigert stillschweigend die Mitwirkung – auch aus der Schweiz kamen zuletzt kritische Töne. Beide Länder monieren, dass die deutsche Praxis europäische Rückführungsprozesse untergräbt und stattdessen auf nationale Alleingänge setzt. Es geht um mehr als nur Grenzfragen – es geht um die Glaubwürdigkeit des gemeinsamen europäischen Asylsystems.

System am Limit

Die Dublin-Regelung sieht vor, dass jener EU-Staat für einen Asylantrag zuständig ist, in dem ein Schutzsuchender zuerst europäischen Boden betritt. In der Praxis führt das jedoch immer wieder zu Blockaden, da viele Erstaufnahmeländer wie Griechenland oder Italien mit Rückführungsersuchen überfordert sind oder diese schlicht ignorieren. Deutschland versuchte nun, mit direkten Rückweisungen an der Grenze gegenzusteuern – doch wie der Fall Guben zeigt, funktioniert das nur bedingt.

Ein Schlupfloch

Recherchen von FOCUS online zufolge gibt es an der Grenze eine rechtliche Grauzone, die offenbar systematisch genutzt wird: Wer die Grenze auch nur wenige Meter übertritt und ein Schutzgesuch äußert, wird nicht mehr zurückgewiesen, sondern muss ein aufwendiges Verfahren durchlaufen. In vielen Fällen bleiben die Betroffenen auf unbestimmte Zeit in Deutschland – unabhängig von ihrer Erfolgsaussicht im Asylverfahren.

Credit: APA

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