Mit einem geheimen Gutachten wollte der Verfassungsschutz die AfD auch auf Bundesebene als „gesichert rechtsextrem“ einstufen. Bisher war dies nur in einigen Bundesländern der Fall. Doch das Gutachten wurde der Öffentlichtkeit nicht zugänglich gemacht. Eine Presseanfrage Tichys Einblicks wurde beantwortet, dass es ein „eingestuftes Behördendokument“ sei, und man um Verständnis bitte, dass dies nicht zu veröffentlichen sei. Eine späteres Telefonat mit der Pressestelle, erklärte diese Einstufung teils auch mit Datenschutzgründen. Doch nun ist das Dokument an die Öffentlichkeit gelangt.
Auffällig ist: Interne oder vertrauliche Quellen aus der AfD spielen in diesem „Geheimdokument“ keine Rolle. Es besteht aus einer Sammlung von Aussagen, Social-Media-Postings oder Parteitagsbeschlüssen, die allesamt öffentlich zugänglich sind. Hat der Verfassungsschutz keine Quellen aus dem Inneren der Partei, die Rechtsextremismus belegen können?
Es darf keine Deutschen geben
Im Ergebnis stützt sich die Bewertung auf den mehrfach diskutierten „ethnisch-abstammungsmäßige Volksbegriff, der sich „zur Gewissheit verdichtet habe, „so dass eine entsprechend extremistische Prägung der Gesamtpartei festgestellt werden muss.“ Man orientiert sich an Angela Merkels Volksbegriff von „allen die hier sind“.
Dass Staatsbürgerschaft, im Grundgesetz historisch sogar „Volkszugehörigkeit“ benannt und privilegiert wurde – das darf nicht mehr sein.
Das ist der entscheidende Punkt: Darf sich eine Partei auf „Deutsche“ konzentrieren oder muss sie von vornherein erklären, dass eine fiktive Gleichheit „Aller die halt gerade hier sind“ herzustellen sei?
„Bestimmte Bevölkerungsgruppen“ sollen von dr AfD angeblich aus der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen, und eine nicht verfassungskonforme Ungleichbehandlung ausgesetzt werden. Bezogen wird das aus einem wüsten Sammelsurium von Aussagen, die meist aus dem Zusammenhang gerissen werden oder, schlimmer noch, auf empirische Beobachtungen zurückgreifen.
„Derartige Aussagen sollen die Angst schüren, als ethnisch Deutsche(r) in einen Minderheitnstatus zu verfallen, und bedienen eine hierauf ausgerichtete Bedrohungskommunikation“.
Zukünftig darf also medial auch nicht mehr über Schulen berichtet werden, in denen der deutschen Sprache nicht mächtige Kinder längst die Mehrheit bilden – denn dies könnte Angst verbreiten. Damit überschreitet der Geheimdienst eine wichtige Grenze: Fakten dürfen nicht berichtet und behandelt werden, wenn sie nicht in das allgemein verordnete Wohlgefühl passen sondern Störung der erwünschten Harmonie auslösen könnten. Auch Forderungen nach vermehrter und verbesserten Integration, Sprachkenntnisse und Anpassung an hiesige Lebensumstände gelten als „verfassungsfeindlich“. Auch die Polizeiliche Kriminalstatistik, die bestimmte Bevölkerungsgruppen bei Kriminalfällen ermittelt, ist nach dieser Lesart „Bedrohungskommunikation“, die Ängste schürt. Begriffe wie „Messermigration“ sind die Keulen, die wie „Hinweise auf ein rückständiges Frauenbild“ oder sexuell motivierte Straftaten nicht mehr benutzt werden dürfen – die Benennung unstrittiger Fakten sind verfassungsfeindlich.
Fakten sind verfassungsfeindlich
Längst haben viele Verfassungsrechtler diesen Punkt als irrelevant eingestuft. Die Realität darf weiterhin beschrieben werden, auch wenn sie vom Leitbild der Bundesregierung abweicht.
Das Demokratieprinzip, und darum geht es in der eigentlichen Bewertung, also Bestrebungen, die freiheitlich demokratische Grundordnung abzuschaffen, hätten sich dagegen „quantitativ und qualitativ nicht in einem Maß bestätigt, dass sie als prägend für die Gesamtpartei einzustufen wären“. Mit anderen Worten: die AfD steht zu Demokratie und Rechtsstaat. Aber nur wer dagegen verstößt, kann ernsthaft als Demokratiefeind bezeichnet werden.
An anderer Stelle wiederum lautet die „Analyse“: Dagegen würden „Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung einen extremistischen Verdachtsfall rechtfertigen und würden eine Beobachtung der Partei als „gesichert rechtsetremistische Bestrebung“ geradezu gesetzlich erzwingen.
Wie paßt das zusammen? Die Antwort ist geradezu phantastisch.
Dabei seien auch „prognostische“ Bewertungen vorzunehmen, ob diese zurückgedrängt würden – die Verfassungsschützer als Propheten der Demokratietauglichkeit.
Und natürlich wird eine Ausbreitung des berüchtigten „Flügels“ festgestellt; selbst der Autoexperte und frühere Bundestagsabgeordnete Dirk Spaniel wird namentlich erwähnt. Das er mittlerweile die Partei verlassen hatund sich mit der Frage des Verbrennerverbots beschäftigt und dabei einen Namen gemacht hat – alles verfassungsfeindlich.
Ehrlich ist der Verfassungsschutz auf seine verquere Weise. Er verweist darauf, dass „Ethnopluralismus“ neuerdings als Norm anzuerkennen sei und Bemerkungen von AfD-Funktionären mit Begriffen wie „Umvolkung“ verfassungsfeindlich seien.
Auch das Demokratieverständnis der Partei steht in der Kritik. Immer wieder würden Bundesrepublik und NS-Regime, DDR oder „Diktaturen“ gleichgesetzt, politische Gegner als „Systemparteien“ oder „Kartellparteien“ diffamiert, die Bundesrepublik als „Unrechtsstaat“ bezeichnet. Ziel sei laut Gutachten eine systematische Erosion des Vertrauens in das demokratische Regierungssystem.
Obwohl der „Flügel“ 2020 formell aufgelöst wurde, sieht das BfV darin lediglich eine taktische Maßnahme. Die Ideologie des Flügels – vertreten u. a. durch Björn Höcke – sei weiter dominant in Teilen der Partei. Die Personen seien in zentralen Funktionen verblieben, ihre Positionen würden weiterhin offen vertreten. Der Begriff „Volkstod“ etwa, den Flügel-Vertreter verwendeten, weise auf eine Nähe zu nationalsozialistischem Sprachgebrauch hin.
Auch innerparteiliche Distanzierungen stuft das Gutachten als unzureichend ein. Parteiordnungsverfahren gegen radikale Wortführer seien erst nach öffentlichem Druck oder Gerichtsverfahren eingeleitet worden. Das Gericht sieht in dieser Praxis vor allem prozesstaktische Motive – keine inhaltliche Neuausrichtung. Lippenbekenntnisse reichten nicht aus. Eine glaubhafte Abkehr von verfassungsfeindlicher Ideologie setze laut Gericht ein Eingeständnis früherer Verfehlungen voraus – das sei bislang nicht erfolgt.
Der Maulkorb als Ideal
Das Gutachten endet mit der Einschätzung, dass sich die tatsächlichen Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der AfD zur „Gewissheit“ verdichtet hätten – sowohl bei der Jungen Alternative als auch durch anhaltenden Einfluss des Flügels auf Bundes- und Landesebene. Die Partei als Ganzes lasse eine vorbehaltlose Loyalität gegenüber der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vermissen.
Nun kann man eine Zitatensammlung schwer kritisieren. Aber warum es „verfassungsfeindlich“ sein soll, wenn man die Einwanderung begrenzen will wird an keiner Stelle argumentiert. Man darf gespannt sein, ob die sich herausbildenden Parteien von Migranten auch diesem Diktum unterworfen werden – schließlich sind auf den ethnischen Volksbegriff per Definition ausgerichtet. Aber diese Gruppen werden dem Diskurs entzogen. Wer muslimkritische Aussagen trifft macht sich generell der Feindschaft zu Minderheiten und Fremden schuldig. Es gilt also, den Islam in allen seinen Ausprägungen zu schützen und die Debatte über die kulturellen Folgen und Eigenheiten zu verbieten.
Debattenfeindlichkeit prägt das Gutachten: Das Vertrauen der Bevölkerung werde durch kritische Bemerkungen erschüttert. Die Frage ist nicht mehr, ob Kritik am Regierungshandeln berechtigt ist – sondern nur noch, „ob das Vertrauen in das Funktionieren der demokratischen Prozesse erschüttert“ wird. Fazit: Bitte keine Kritik mehr, es könnte die Bürger befremden, wenn über Korruption, Missstände, Mißbrauche und Ungesetzlichkeit geredet wird. ausdrücklich erwähnt wird Kritik an der Pandemiepolitik. die sei hinzunehmen.
Es ist ein düsteres Bild, das das Bundesamt für Verfassungsschutz entwirft. Ziel ist eine Art Maulkorbgesellschaft, die tatsächliche oder vermeintliche Missstände nicht mehr verhandelt.
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